Berlin -
Es sagt sich ja erst mal so leicht, dass Fußballer gute Techniker sind. Oder das Gegenteil davon. Doch dann wird es schwerer. Es gibt zwar spielstatistische Werte, die Passspiel oder Zweikampf oder Torschusseffizienz in Erfolgsquoten angeben.
Aber Technik, also Ballbehandlung, das Gefühl in Kopf und Fuß lässt sich kaum verlässlich vermessen. Am ehesten noch beschreiben. Und damit wären wir bei Alexander Esswein, dem Flügelspieler von Hertha BSC, der am Sonnabend bei der Niederlage gegen RB Leipzig (1:4) den besten und einzig brauchbaren Angriff seines Teams echt mies beendete. Wegen einer technisch mangelhaften Ballmitnahme.
Über Esswein heißt es, dass er schnell ist. Doch hektisch trifft es vielleicht besser. Knapp eine halbe Stunde war gespielt, als er ein Zuspiel von Vladimir Darida, das ihm den Weg zum Tor öffnete, wieder selbst verschloss.
„Wir waren klar unterlegen“
Weil er den Ball nicht nach innen mitnahm, wo er den Laufweg des Innenverteidigers hätte kreuzen können, um dann ein Duell mit dem Torwart zu führen. Nein, Esswein legte sich den Ball nach außen, wo der Winkel etwa auf Höhe des Sechzehners zu spitz wurde und von wo aus er trotzdem noch einen Schussversuch wagte – obwohl ein Querpass in die Mitte deutlich vielversprechender gewesen wäre als dieses Rückspiel in die griffbereiten Torwartarme. Es hätte der Ausgleich, das 1:1 sein können. Aber mit dem Konjunktiv hat noch nie einer ein Tor geschossen.
Dass diese Szene in der Nachbetrachtung von keinem Protagonisten erwähnt wurde, allein das sagt schon alles über den Spielverlauf, aber auch viel über einen gesunden Realitätssinn der Mannschaft von Pal Dardai.
„Leipzig hat eine andere Qualität, wir sollten uns nicht daran messen“, sagte Herthas Trainer. „Wir waren klar unterlegen“, sagte Innenverteidiger Sebastian Langkamp. Es war einfach kein Durchkommen an diesem Tag. Und schon gar nicht durchs Zentrum, wo die Leipziger so geschickt und aggressiv verschoben und pressten, dass sie fast immer Überzahlsituationen schafften konnten.
Saisonaus für Per Skjelbred?
Fünf Tore sind im Olympiastadion gefallen, und alle fünf hat nicht Hertha erzielt. Erst traf Timo Werner zweimal, einmal nach ungewollter Vorarbeit von Torwart Rune Jarstein, der bei einem Befreiungsschlag wegrutsche, dann traf Rani Khedira – ins eigene Tor. Fünf Minuten vor dem Ende sah es wenigstens so aus, als wollte der Fußballgott aus einer komischen Sektlaune heraus doch noch das Drehbuch ändern. Doch dann ließ er Davie Selke das 1:3 und 1:4 erzielen. Langkamp und die Realität, Teil zwei: „Wir hatten kurz Hoffnung, aber der Ausgleich lag ja nicht gerade in der Luft.“
Es gibt noch mehr schlechte Nachrichten – und wieder aus dem sportmedizinischen Bereich. Per Skjelbred wird wohl nicht mehr zum Einsatz kommen in dieser Saison. Er musste Mitte der zweiten Halbzeit ausgewechselt werden.
Am Sonntag humpelte er zur Teambesprechung auf dem Trainingsplatz und humpelte wieder zurück in die Kabine. „Sieht nicht gut aus“, sagte er. Am Montag wird er gründlich untersucht. Skjelbred wird am Wochenende in Darmstadt deswegen fehlen, weil Ersatzmann Allan beim dritten Gegentor erneut gezeigt hat, dass er Zweikämpfe manchmal mit Geleitschutz verwechselt.
19 Jahre + 301 Minuten
Doch damit nicht genug. Zwei Spieler waren gegen Leipzig in erhöhter Alarmbereitschaft Gelb aufgelaufen, weil bereits viermal verwarnt in dieser Saison. Und genau diesen Spielern zeigte der Schiedsrichter die Sperrkarte.
Namentlich: Langkamp und John Brooks. Dardai steht nun vor einem sehr komplizierten Innenverteidigerpuzzle. Sidney Friede, Florian Baak, Nico Beyer – im Durchschnitt 19 Jahre alt und gerade mal 1,3 Bundesligaminuten erfahren – bewerben sich in dieser Trainingswoche um den Platz neben Jordan Torunarigha: 19 Jahre + 301 Minuten.
Als Linksverteidiger hat dieser am Sonnabend 88 Prozent seiner Zweikämpfe gewonnen und damit doppelt so viele wie Brooks. Und es ist nur Thomas Kraft zu verdanken, dass er überhaupt mitreisen kann nach Darmstadt. Hätte der Ersatztorwart den aufgebrachten und zu Revanche und vielleicht gar Schlimmerem bereiten Torunarigha beim Gang in die Kabine nicht vom Leipziger Marcel Sabitzer ferngehalten, würde auch noch dieses Puzzlestück fehlen. Eine grifftechnisch perfekte Parade von Kraft war das übrigens.
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