segunda-feira, 16 de março de 2020

Montags sprach er immer Deutsch

  • Der Brasilianer Marcelinho beendet mit 45 Jahren seine Karriere.
  • Für Hertha BSC hat er einmal aus 48,3 Metern ein Tor erzielt - er hat dem Fußball aber auch manche Partygeschichte beschert.


Den vielleicht traurigsten, widersprüchlichsten Tag seiner Fußballkarriere verbrachte Marcelinho Paraíba mit einer Bierflasche in der Hand. Vor einem brasilianischen Restaurant in der Berliner Leibnizstraße, das nie berühmt wurde und längst geschlossen ist. Es war der 30. Juni 2002. Die Besucher des Lokals hatten mit einer Party den Verkehr lahmgelegt, unter den toleranten Augen der Polizei.
Brasilien war in Yokohama Weltmeister geworden, durch ein 2:0 gegen Deutschland, und das war der Grund ihrer Freude. Doch dass aus Marcelinhos Augen auch Trauer sprach, während um ihn herum Frauen und Männer in brasilianischen Trikots tanzten, auf Trommeln und Glocken Rhythmen schlugen, die sie an die ferne Heimat erinnerten, hatte damit zu tun, dass Marcelinho wusste: Er hätte es verdient gehabt, bei der WM in Japan dabei zu sein. Ihn marterte ein Zweifel: Habe ich es selbst verbockt?



In zwei Monaten wird Marcelinho 45 Jahre alt, doch erst jetzt hat er seine Profikarriere beendet. Am Sonntag wurde er bei einem Spiel seines letzten Klubs, Desportiva Perilima, ausgewechselt. Im Estádio Amigão, dem Stadion, das sein Vater, der frühere Stürmer Pedrinho Cangula, eingeweiht hatte: Er schoss dort 1975 das erste Tor überhaupt. Nur eine Handvoll waren dort, seine Freunde und seine Tochter Viviane. Mit einem T-Shirt: "Auf immer unser Krieger." Zur zweiten Halbzeit, und nachdem die Tränen getrocknet waren, saß Marcelinho auf der Bank: Er wird nun bei Perilima als Co-Trainer arbeiten.

Sein eindrücklichstes Tor: ein Treffer aus offiziell 48,3 Metern

Dass er es verdient gehabt hätte, bei der WM 2002 dabei zu sein, ergab sich daraus, dass er die Qualifikations-Optionen der Brasilianer gewahrt hatte; mit einem Tor beim 2:0 gegen Paraguay. Der damalige Nationaltrainer Luís Felipe Scolari versprach ihm danach, ihn zur WM 2002 mitzunehmen. Doch dann ließ er ihn fallen. Marcelinho war im Januar 2002 mit zirka 120 Stundenkilometern über den Kaiserdamm in Berlin gerast, mit 1,27 Promille im Blut. Scolari kannte kein Pardon. Marcelinho sah die WM vor dem Fernseher, in der deutschen Hauptstadt, wo sie ihn immer noch verehren. "Er war der wichtigste Fußballer Herthas der letzten zwei, drei Jahrzehnte", sagt Andreas "Zecke" Neuendorf, der bei Hertha der engste Freund Marcelinhos war.


Marcelinho war 2001 nach Berlin gekommen. Er schoss in 155 Spielen 65 Tore und verbreitete in der Stadt einen Hauch von großem Fußball. Sein eindrücklichstes Tor: ein Treffer aus offiziell 48,3 Metern gegen den SC Freiburg. Vor allem aber lieferte er Schlagzeilen. Er ließ sich immer wieder die Haare bunt färben; einmal wollte er die deutsche Fahne aufs Haupt, heraus kam wegen eines Farbendrehers die belgische. Und er konnte feiern. "Er hat hundertfach versprochen: Das war das letzte Mal", sagt Neuendorf.
"Aber dann kam das Wochenende..." Nicht alle hatten das Gespür Neuendorfs für das Offensichtliche: Marcelinho war die größtmögliche Garantie für Erfolg, und das hieß meist: beide Augen zudrücken. Die Trainer und Manager Dieter Hoeneß waren oft damit beschäftigt, ausdrückliche oder implizite Wünsche nach Sanktionen abzuwehren. Marcelinho verriet sich nicht bloß durch geschwollene Augen oder, wie Neuendorf es nennt, "Duftwolken", die man dem Konsum von Alkoholika zuordnen musste: "Wenn er leicht angeschlagen zum Training kam, redete er immer Deutsch." Und er sprach vor allem montags Deutsch. Denn bevorzugt feierte Marcelinho sonntags, in einer Brasilianer-Bar namens Taba.

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