- Würden in der laufenden Bundesliga-Saison gar keine Spiele mehr stattfinden können, könnten sich die Einnahmeverluste auf bis zu 750 Millionen Euro addieren.
- Karl-Heinz Rummenigge und Hans-Joachim Watzke hoffen darauf, zumindest noch Geisterspiele austragen zu können.
- Die Klubs haben im vergangenen Jahr rund 1,2 Milliarden Euro an Steuern und Abgaben bezahlt - verdienen sie einen staatlichen Schutz vor den Auswirkungen der Coronakrise?
Als am Samstagabend der Berliner Senat den Shutdown, also das Herunterfahren von fast allem öffentlichem Treiben in der Hauptstadt, bis zum 19. April bekannt gab, war der Verzicht des deutschen Profifußballs auf die Austragung von zwei Spieltagen der Bundesliga schon wieder Altpapier. Erst rund 24 Stunden vor dem Berliner Dekret, das auch den beiden Hauptstadtklubs Hertha BSC und Union Heimspiele untersagt, hatte sich der Fußball-Dachverband DFL - eher widerwillig - eine vorläufige Pause bis zum 2. April verordnet. Doch die Dynamik der Corona-Pandemie, zumindest diese Erkenntnis setzt sich gerade durch, überrollt den Fußball genauso wie alle anderen. Nur dass sich das Winden der Fußballindustrie in aller Öffentlichkeit abspielt, und ihre Vertreter scheinbar in noch kürzeren Hosen dastehen als alle anderen Entscheider.
Prognosen abzugeben, wo es keine verlässlichen Grundlagen für Prognosen gibt: Man darf das wohl auch von den Fußball-Managern nicht mehr erwarten. Immerhin, Klarheit gibt es allmählich über das Ausmaß der finanziellen Bedrohung für den deutschen Profifußball. Würden in der laufenden Saison, neun Spieltage vor dem Zielstrich, gar keine Spiele mehr stattfinden können, die Einnahmeverluste könnten sich auf bis zu 750 Millionen Euro addieren. Allein für die kommenden drei Monate. Wegen ausbleibender Fernsehgelder, verpasster Sponsoring- und Werbeeinnahmen und nicht verkaufter Eintrittskarten.
Klubs müssten sogar die längst bezahlten Gelder ihrer Dauerkartenkunden anteilig zurückerstatten. Im Mai, wenn die meisten Klubs auf heißen Kohlen auf frisches Geld warten, um bis zum Saisonende die Gehälter zahlen zu können, könnten rund 330 Millionen Euro ausfallen. Oder eben nicht, wenn irgendwann, irgendwie doch wieder gespielt wird. Kein Wunder, dass die Klubs nervös sind.
Uli Hoeneß, mit sportlichen und privaten Krisen erfahren, rief am Sonntag im Sportsender Sport1 per Telefonschalte der Fußballgemeinde zu, dass doch die kleinlichen Terminfragen des Profifußballs eigentlich "unser kleinstes Problem" seien. "Die DFL", so Bayern Münchens Aufsichtsrats-Vizechef, "berät am Montag wieder über die nächsten Schritte, und alle erwarten sich davon etwas, aber die DFL wird kaum etwas beschließen können. Wir müssen alle lernen, dass wir vor allem Geduld brauchen, und dass heute niemand weiß, was morgen wieder Neues kommt." Hoeneß machte allerdings auch klar, dass "nationale Ligen Priorität haben" müssten. Die Europameisterschaft im Sommer müsse weg, abgesagt, verlegt werden.
Rummenigge und Watzke tief besorgt
Selbst wenn sich aber die Bundesliga auf diese Weise den Juni als zusätzliche Termine-Reserve erobern würde, heißt das ja nicht, dass dann auch gespielt werden könnte. Stadion-Events mit Zuschauern jedenfalls, so signalisiert das Bundesgesundheitsministerium den Klubs, sind auf Monate eher unwahrscheinlich. Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hatte, ebenso wie sein Kollege Hans-Joachim Watzke vom zweiten deutschen Großklub Borussia Dortmund, nach der späten Spieltagsabsage durch die DFL sein Unbehagen durchklingen lassen.
Beide, Rummenigge und Watzke, sind offenbar tief besorgt, dass die Liga ihr Pensum von 34 Spieltagen selbst dann nicht mehr schaffen wird, wenn die EM im Juni wegfiele und Platz für mehr nationale Fußball-Spieltage entstünde. Beide würden deshalb sogenannte "Geisterspiele" für das kleinere Übel halten. Die Saison also, Augen zu und durch, vor leeren Stadien zu Ende bringen, und auf diese Weise die vertraglichen Pflichten gegenüber Fernsehen und Werbekunden wenigstens halbwegs erfüllen.
Dass sich die Lenker der beiden großen Klubs mit ihrem eher kaufmännischen Denken nicht nur Zustimmung einfangen, war wohl beiden klar. Zwar stellten beide die kleineren Vereine als besonders bedroht dar, aber natürlich wäre auch für die beiden wohlhabendsten Klubs ein vorzeitiger Abbruch der Saison wirtschaftlich schwer zu verdauen. Watzke gab indes auch zu bedenken, dass Geisterspiele den Menschen zu Hause, in selbst gewählter oder erzwungener Quarantäne, mehr bringen würden als gar kein Fußball.
Eine Rechnung, die allerdings nur so lange aufgehen wird, bis sich in den kommenden Wochen womöglich mehrere Profis der deutschen Klubs selbst anstecken würden. Bisher sind nur der Erstligist Paderborn und die Zweitligisten Hannover, Nürnberg und Kiel von positiv auf das Coronavirus getesteten Spielern betroffen. Andere Fußballligen haben schon jetzt mehr Fälle, bis hin zu acht infizierten Spielern allein bei Sampdoria Genua in Italien. Sobald es mehr Ansteckungen gibt, werden selbst Geisterspiele schwierig. Schon bald könnte sich also auch das Fenster für Spiele ohne Zuschauer schließen. Was dann? Staatsbeihilfen, wie von Finanzminister Scholz und Wirtschaftsminister Altmaier bereits für alle anderen Wirtschaftszweige ungewohnt großzügig angekündigt?
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