Beim FC Bayern ziehen sich seit dem Transfersommer 2019 die Gerüchte durch den Alltag. Wegen der Corona-Pause und dem immer näher kommenden Transferfenster intensivieren sich die Spekulationen. Viele davon betreffen Timo Werner. Ein Gastbeitrag von Justin Kraft, Buchautor („Generation Lahmsteiger“) und Blogger bei Miasanrot.
„Falls ein Wechsel irgendwann einmal ein Thema werden sollte, würde mich eher der Schritt ins Ausland reizen als ein Wechsel zu Bayern“, sagte Timo Werner jüngst der Bild-Zeitung. Damit schien das Hin und Her der vergangenen Monate ein Ende genommen zu haben. Doch nur wenige Tage später schrieb der kicker, das Thema Timo Werner sei in München noch immer nicht definitiv abgehakt.
Verhandlungspoker? Durchaus möglich. Sowohl die Werner-Seite als auch die des FC Bayern könnte hier strategisch gehandelt haben. Durch das vermeintliche Desinteresse signalisiert Werner, dass schon viel passieren müsste, damit er an die Säbener Straße wechselt. Die Bayern wiederum könnten ihr Interesse auch deshalb weiter aufrecht erhalten, weil damit die Verhandlungsposition bei anderen Transferzielen gestärkt werden könnte. Unabhängig vom Pokern am Verhandlungstisch stellt sich aber die Frage, welcher Schritt für welche Partei am meisten Sinn machen würde.
Was braucht und will der FC Bayern eigentlich?
Für die Bayern schien lange Zeit ein Spieler für die offensiven Außenpositionen das erstrebte Ziel zu sein. Mit Leroy Sané schien im vergangenen Jahr alles klar, bis der sich aber schwer verletzte. Eine direkte Alternative wurde nie so konkret benannt wie der deutsche Nationalspieler. Stattdessen standen mit Kai Havertz und Timo Werner zwei Offensivspieler auf dem Zettel, die sich im Zentrum wohlfühlen.
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Auch wenn Werner hin und wieder auf den Flügeln aushilft, entspricht er als Spielertyp wohl nicht dem Anforderungsprofil des FC Bayern. Der 24-Jährige ist zwar schnell und wählt extrem kluge Laufwege, doch er ist kein dribbelstarker Spieler, wenn er aus dem Stand heraus an zwei Gegenspielern vorbei muss. Für seine Läufe in die Tiefe benötigt er Raum, den es bei den Bayern nur selten gibt. Es ist aus Klubperspektive also zu befürchten, dass er auf den Flügeln nicht sein ganzes Potenzial ausschöpfen könnte.
Werner hat unter Nagelsmann große Fortschritte dahingehend gemacht, doch es ist sehr fraglich, ob die ausreichen, um beim FC Bayern zu bestehen. Zumal es im Zentrum eine Konkurrenzsituation geben würde, aus der er fast nur als Verlierer hervorgehen kann. Robert Lewandowski ist als zentraler Angreifer gesetzt – und selbst wenn Trainer Hansi Flick auf ein System mit zwei Stürmern umstellen würde, wäre da ein Thomas Müller, der nach dem Trainerwechsel wieder aufblüht. Lewandowski betonte in den vergangenen Jahren mehrfach, wie sehr er vom „Raumdeuter“ Müller profitiere.
Salihamidzic noch nicht überzeugt
Werner hätte durchaus das Potenzial, Müller mit seiner Spielintelligenz zu beerben. Doch er wäre nicht die Soforthilfe, die eine große Baustelle schließen würde. Vielleicht würde er sogar noch eine weitere vergrößern: Joshua Zirkzee steht auf dem Sprung zu einer erfolgreichen Profikarriere. Der 18-Jährige hat das Potenzial angedeutet, irgendwann sogar eine ernsthafte Option für die Lewandowski-Nachfolge zu sein. Der Weg dorthin ist weit, aber im Bereich des Möglichen. Mit Werner würde ihm eine weitere Hürde vor die Nase gesetzt werden. Der Noch-Leipziger wäre zwar eine nette Ergänzung für die Kaderbreite. Für die kolportierte Ablösesumme von rund 60 Millionen Euro wäre es aber eine teure Ergänzung.
Umso weniger überrascht es, dass Sportdirektor Hasan Salihamidzic nicht als größter Werner-Fan gilt. Aus dem Umfeld ist zu vernehmen, dass er den Angreifer sehr schätzt und seine Entwicklung in Leipzig als durchaus positiv bewertet, doch gleichzeitig auch Zweifel an einer Zukunft in München hat. Innerhalb des Klubs wurde die Personalie mehrfach kontrovers diskutiert. Doch gerade weil die Meinungen so weit auseinandergehen, muss auch die Spielerseite genau überlegen, ob der Schritt an die Säbener Straße Sinn ergeben würde.
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Führt der perfekte Weg ins Ausland?
Gerüchten zufolge soll der FC Liverpool sehr an einer Verpflichtung interessiert sein. Zwar hätte Werner es auch dort mit starker Konkurrenz zu tun, aber es gäbe gleich drei Positionen für ihn, auf denen er seine Qualitäten ausspielen könnte. Jürgen Klopps Fußball ähnelt dem der Leipziger in vielen Aspekten mehr als der des FC Bayern. Die Angreifer haben in der Regel mehr Räume für ihre Läufe und Dribblings. Werner könnte deshalb neben der zentralen Position auch mal auf die Flügel ausweichen.
Es scheint der passendere Schritt für seine Entwicklung zu sein. In Leipzig ist er unumstritten und eine der tragenden Säulen. Diese Konstellation kann zu Stagnation führen. Mit nun 24 Jahren wäre der Wechsel zu einem Top-Klub richtig, wenngleich er gut überlegt sein muss. In Liverpool würde er womöglich Vertrauen, ein passendes System und drei absolute Top-Spieler in der Offensive vorfinden, die alles von ihm abverlangen werden, um Spielzeit zu bekommen. Letzteres findet er wohl auch in München. Doch die entscheidende Frage ist: Übernimmt sich Werner an dieser Herausforderung nicht, wenn er sich dafür sehr verbiegen müsste?
Eine Win-Win-Win-Situation?
Dass Werner lieber ins Ausland wechseln würde, ist deshalb vielleicht doch nicht nur Strategie. Vielleicht weiß Werner, dass die Vorzeichen für einen Wechsel zum FC Bayern schon jetzt nicht optimal sind. Vielleicht wissen das aber auch die Verantwortlichen in München. Und so könnte am Ende doch noch eine Win-Win-Win-Situation entstehen: RB Leipzig kassiert eine hohe Ablösesumme, Werner bekommt einen gut dotierten Vertrag in Liverpool und einen Klub, der einen Spielertypus wie ihn perfekt einbinden könnte – und der FC Bayern nutzt die Gerüchte, um sich in eine gute Verhandlungsposition für einen Spieler zu bringen, der besser in die Zukunftsplanungen passt.
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