Als Zinédine Zidane Real Madrid als Trainer übernahm, musste er sich einige Kritik gefallen lassen. Nun steht er beim Spiel gegen Dortmund vor einem Rekord. Das liegt auch an Zidanes Erfolgsrezept.
Wenn sie sich in Madrid an glorreiche Zeiten erinnern, dann an die 1950er und 60er Jahre, als die Mannschaft um Alfredo Di Stéfano fünf Mal in Serie den Europapokal gewann. Oder an die „Quinta del Buitre“, die Generation des Geiers. Der Geier, das war Emilio Butragueño, der zwischen 1984 und 1995 mit insgesamt 123 Toren einer der erfolgreichsten Stürmer in der Vereinsgeschichte war. Seine Generation wurde zwischen 1985 und 1990 fünf Mal nacheinander spanischer Meister. Unter ihrem Trainer Leo Beenhakker war sie 34 Pflichtspiele lang ungeschlagen. Das ist spanischer Rekord. Wenn Real Madrid an diesem Mittwoch (Anstoß: 20.45 Uhr / Live im ZDF, bei Sky und im Champions-League-Ticker bei FAZ.NET) gegen Borussia Dortmund nicht verliert, dann ist der Vereinsrekord eingestellt.
Als Zinédine Zidane Anfang des Jahres die Mannschaft übernahm, hätte kaum jemand in Madrid auf eine solche Entwicklung gewettet. Hinter den Kulissen wurde ihm vorgeworfen, seinen Trainerschein in Frankreich und nicht in Spanien gemacht zu haben, weil der Kurs dort viel leichter sei. Seine einzige Erfahrung an der Seitenlinie ist die Zeit als Ko-Trainer unter Carlo Ancelotti bei Real Madrid und eine Spielzeit als Übungsleiter beim B-Team. Vor allem aber: Zidane wurde lediglich als eine Figur auf dem Schachbrett von Klubpräsident Florentino Pérez gesehen. Zidane solle die vereinsinternen Kritiker ruhigstellen, die dem Präsidenten Konzeptlosigkeit vorwerfen, hieß es. Zugleich wäre der Weltstar nach einer missglückten Rückrunde auch ein gutes Bauernopfer.
In der Liga gewann Real Madrid anfangs zwar teilweise eindrucksvoll, verlor aber das entscheidende Duell gegen den Stadtrivalen Atlético de Madrid 0:1. Als die Mannschaft im Viertelfinale der Champions League in Wolfsburg nach einer desolaten Vorstellung 0:2 verlor, schien auch Zidane schon abgeschrieben. Lustlos präsentierte sich das Starensemble in der Autostadt, das war der Tief- und Wendepunkt der Trainerkarriere von Zinédine Zidane. Denn seit diesem 6. April 2016 hat Real Madrid kein Pflichtspiel mehr verloren. Auch das Endspiel der Champions League gegen Atlético gewannen die Königlichen nach Elfmeterschießen, was Zidane gegenüber Klubpräsident Pérez stärkte.
Der Franzose muss also entgegen den Prognosen doch eine ganze Menge richtig gemacht haben. Doch was? Seine Pressekonferenzen verlässt man meist etwas ratlos. Dort strahlt er vor allem Bescheidenheit und gute Laune aus. Tiefgründige Analysen nach einem Spiel oder taktische Strategien davor gibt es von Zidane keine zu hören, ein Wutausbruch wie von so manchem Bundesligatrainer wäre bei dem Franzosen undenkbar. So werfen ihm Kritiker vor, er habe schlicht Glück. Ja, sagt Zidane dann: „Ich habe großes Glück, denn ich war Spieler und bin Trainer bei Real Madrid. Ich mag Fußball.“
Doch nur mit Glück gewinnt man keine Champions League, schlägt den Stadtrivalen auch nicht im eigenen Stadion 3:0 und holt in Barcelona ein Unentschieden. Stattdessen ist bei den Spielen von Real etwas zu beobachten, was die Fans seit langem vermisst haben: Die Stars krempeln die Ärmel hoch. Sie arbeiten wieder. Spieler wie Ronaldo oder Benzema treffen nicht immer, aber sie verbringen keine langen Auszeiten mehr mit Protesten beim Schiedsrichter oder Diskussionen mit den Mitspielern. Sie spielen mit „Intensität“, wie es Zidane immer wieder einfordert.
Zumal man nicht sagen kann, dass Zidane vom Pech verschont bliebe. Seit Beginn der Spielzeit ist immer irgendjemand in seiner Wunschaufstellung verletzt. Casemiro, Schlüsselfigur im defensiven Mittelfeld, hat seit September nicht gespielt, auch Toni Kroos oder Stürmer Álvaro Morata sind erst jetzt wieder ins Training eingestiegen. Trotzdem kann die Mannschaft solche Ausfälle immer wieder kompensieren. „Jeder gehört dazu“, sagt der Franzose und verbreitet damit vor dem Spiel gegen Dortmund wieder sein Mantra. Er spricht am liebsten von der Gruppe, vom Kollektiv, in dem jeder wichtig sei. Zidane ist zwar kein Freund von Rotationen, appelliert aber: „Wir spielen alle drei Tage. Da müssen alle bereit sein. Es wird ein schwieriges Spiel.“
Keinen Zweifel lässt er daran, dass Real Madrid gewinnen und Gruppenerster werden soll. In der spanischen Hauptstadt spekuliert die Sportpresse, dass man mit einer Niederlage in der nächsten Runde schwierigen Gegnern wie Bayern München oder Manchester City aus dem Weg gehen könnte. „Das ist ein Endspiel“, sagt der Franzose deutlich. Dass er dann mit 34 Spielen in Serie ohne Niederlage Beenhakkers Vereinsrekord eingestellt hätte, erwähnt er nicht.
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