Es ist nicht so, dass Bernd Hoffmann, 57, keine Freunde mehr hätte beim Hamburger SV. Max-Arnold Köttgen, 62, der bisherige Aufsichtsratschef der HSV Fußball AG, trat nach Hoffmanns Freistellung am Samstag seinerseits zusammen mit Thomas Schulz aus dem Gremium zurück. Köttgen sagte nach der vierstündigen Sitzung im Leistungszentrum Campus: "Veränderungen im Vorstand vor dem Hintergrund der aktuell zu bewältigenden Anforderungen wegen der Corona-Krise halte ich für verfehlt."
Nach dem Abstimmungsergebnis im Aufsichtsrat - 5:2 gegen Hoffmann - hielt Köttgen deshalb seinen Rücktritt "für notwendig". Gleichwohl habe er diese Entscheidung "schweren Herzens" getroffen.
Auch Hoffmann selbst sendete via HSV-Homepage eine sentimentale Abschiedsbotschaft: Es sei ihm "eine Ehre" gewesen, dem HSV insgesamt zehn Jahre "zu dienen". Er werde lebenslang Mitglied bei diesem Verein sein und er sei sicher, dass der HSV als Botschafter der Stadt bald wieder in der ersten Bundesliga spielen werde.
Der HSV-Server war so überlastet, dass diese Sätze bei vielen Usern erst viel später ankamen als um 16.10 Uhr. Da hatte der HSV die Nachricht von der Entlassung seines Vorstandsvorsitzenden verkündet und zudem mitgeteilt, dass der frühere Profi und e. V.-Präsident Marcell Jansen, 34, neuer Aufsichtsratschef im auf fünf Mitglieder geschrumpften Gremium ist.
Hoffmanns demütige Worte aber passten so gar nicht zu den Ursachen, warum er seinen Traumposten, auf dem er am liebsten in Rente gegangen wäre, zum zweiten Mal nach 2011 räumen muss. Der ehrgeizige Betriebswirt ist ein Paradebeispiel für jene Eitelkeiten, die dem HSV seit mehr als zehn Jahren schaden. Hoffmann war nämlich weniger milde in der Kommunikation mit den Kollegen. Und genau das führte dazu, dass er trotz seines bis 2021 laufenden Vertrages jetzt Homeoffice machen muss - aber nicht mehr für den HSV.
Sportvorstand Jonas Boldt und Finanzvorstand Frank Wettstein berichteten vorher dem Kontrollausschuss, dass sie nicht mehr mit dem streitbaren Vorsitzenden weitermachen wollten. Hoffmann hatte unlängst selber bekannt, nicht vom "diplomatischen Corps" zu zählen.
Immer wieder mischte sich Hoffmann im Tagesgeschäft in die Hoheitsbereiche seiner Vorstandskollegen ein, etwa beim Transfer des Spielers Douglas Santos zu Zenit St. Petersburg, für den eigentlich Sportchef Boldt zuständig war. Am Ende dieses Falls soll im Vorjahr eine siebenstellige Rechnung eines Spielervermittlers zu Buche geschlagen haben, mit dem Hoffmann abseits von Boldt verhandelt hatte.
Die Vorstandschefs des HSV seit 1998
Seit 1998 hatte der Hamburger SV, dessen Profiabteilung 2014 in die Fußball AG ausgegliedert wurde, folgende Klub- und Vorstandschefs:
1998 - Werner Hackmann
1998 bis 1999 - Rolf Mares
1999 bis 2002 - Werner Hackmann
2002 bis 2003 - Ronald Wulff
2003 bis 2011 - Bernd Hoffmann
2011 bis 2015 - Carl-Edgar Jarchow
2014 bis 2016 - Dietmar Beiersdorfer
2016 bis 2018 - Heribert Bruchhagen
2018 bis 2020 - Bernd Hoffmann
ab 2020 Frank Wettstein / Jonas Boldt
Das war aber nur einer der Alleingänge, die Boldt und Wettstein Hoffmann vorhielten. Auch auf der Geschäftsstelle sagten manche dem AG-Chef gravierende Schwächen in der Menschenführung nach. Zweifelhafte Geschäfte, die in einem Gutachten beleuchtet wurden, sprachen ebenfalls nicht für Hoffmann, obwohl juristisch dabei nichts Greifbares herauskam.
Schon 2009 wurden dem HSV-Chef ähnliche Vorgehensweisen nachgesagt. Damals mischte sich Hoffmann während seiner ersten Amtszeit in die Nachwuchsarbeit des Sportchefs Dietmar Beiersdorfer ein. Er war unzufrieden, weil keine Talente den Weg zu den Profis schafften, und führte etliche Gespräche, die Beiersdorfer hätte führen müssen. Dieser forderte daraufhin vom Aufsichtsrat, sich für ihn oder für Hoffmann zu entscheiden. Damals siegte Hoffmann. Mit anderthalbjähriger Verspätung, im März 2011, wurde er dann aber doch entlassen - auch, weil ihm die Vergrößerung seiner eigenen Macht wichtiger war als eine harmonische Führung.
Hoffmann wurde nach Beiersdorfers Aus auch noch in Personalunion - wenig erfolgreich - als Sportchef aktiv, die Verpflichtung eines neuen Fußball-Experten forcierte er damals nicht. Auch nach dem verpassten Wiederaufstieg 2019 entließ er zügig den Sportvorstand Ralf Becker und Trainer Hannes Wolf. Angeblich hat Hoffmann mit Becker, den er zunächst als "idealen Partner" gelobt hatte, nach dessen Entlassung nie wieder ein Wort gesprochen. Auch in solchen Umgangsformen sieht Marcell Jansen einen Grund für den Absturz des HSV. Nach seiner Wahl zum Aufsichtsratsvorsitzenden am Samstag sagte Jansen: "Wir können uns in dieser schwersten Krisenzeit des gesamten Profifußballs keine Energieverluste und belasteten Vertrauensverhältnisse leisten."
Vorübergehend hatte es Hoffmann geschafft, den früheren Nationalspieler auf seine Seite zu ziehen. Das war, bevor er, Hoffmann, im Februar 2018 zunächst als HSV-Präsident zurückkehrte, danach bald Aufsichtsratsvorsitzender und schließlich im September 2018 zum zweiten Mal Vorstandschef wurde. Damals räumte er eigene Fehler in seiner ersten Amtszeit ein. Dass der Machtmensch Hoffmann für Jansen plädierte, als dieser sein Nachfolger als Präsident werden wollte, war wegen dessen Popularität ein kluger Schachzug. So wusste Hoffmann Jansen zunächst auf seiner Seite.
Doch Jansen erwies sich als Funktionär nicht wie andere ehemalige Fußballer beim HSV - Sergej Barbarez, Thomas von Heesen oder Peter Nogly - als sportliches Feigenblatt des Aufsichtsrates. Der inzwischen als Unternehmer tätige Rheinländer, der noch in der Oberliga-Mannschaft des HSV spielt, entpuppte sich als kritischer Geist. Zudem baute Jansen Kontakte zu wichtigen Personen auf, bei HSV-Investor Klaus-Michael Kühne ist er wie Wettstein wohlgelitten. Es wird interessant sein, ob der regelmäßig mit drastischen Wortmeldungen auffallende Kühne nun wieder mehr Einfluss bei seinem Lieblingsklub bekommt und seine HSV-Anteile sogar ausbauen kann.
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