Im vergangenen Sommer kam Diadie Samassekou für zwölf Millionen Euro Ablöse aus Salzburg zur TSG 1899 Hoffenheim. Ausgebildet wurde der Mittelfeldspieler bis 2015 in der Fußballschule des ehemaligen französischen Nationalspielers Jean-Marc Guillou.
Im Interview mit SPOX und Goal gibt Samassekou Einblicke in seine Kindheit in Mali und seine Zeit in der Akademie. Zudem spricht der 24-Jährige über Rassismus und erklärt, welche Rolle der Fußball bei der Integration von Flüchtlingen spielen kann.
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Herr Samassekou, aufgrund des Coronavirus hat die TSG 1899 Hoffenheim zunächst unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainiert. Nun haben Sie und Ihre Kollegen individuelle Trainingspläne bekommen. Wie gehen Sie persönlich mit der Situation um?
Diadie Samassekou: Es ist eine neue Situation für uns alle, aber der Weg ist der richtige. Natürlich ist es nicht einfach, und wir würden lieber gemeinsam trainieren. Aber die Maßnahmen sind richtig, denn die Gesundheit ist wichtiger als alles andere.
Aufgrund dieser Zwangspause entgehen den Bundesliga-Klubs Gelder in Millionenhöhe aus Zahlungen für TV-Rechte und Zuschauereinnahmen. Die Auswirkungen für die TSG werden trotz des durch Spielerverkäufe angelegten Polsters spürbar sein. Wären Sie bereit, auf Teile Ihres Gehalts zu verzichten, um Ihren Klub zu unterstützen?
Samassekou: Es geht nicht darum, was ich will oder was gut für mich ist, sondern was für diejenigen gut ist, die es wirklich brauchen. Daher bin ich froh, dass die Verantwortlichen bei der TSG Hoffenheim beschlossen haben, einen Hilfsfonds für konkrete Maßnahmen einzurichten. Ich bin bereit zu helfen und daran wird sich unsere ganze Mannschaft beteiligen.
Lukas Klostermann von RB Leipzig ging bereits mit gutem Beispiel voran und fragte seine Follower nach Organisationen, denen er helfen könnte. Würden Sie diesem Weg folgen?
Samassekou: Das ist sicher auch ein Weg, jede Hilfe ist gut. Man darf bei der Thematik aber auch nicht vergessen: Wir kommen nicht aus denselben Ländern und haben deshalb unterschiedlich dringende Probleme. Manche Länder wie Italien sind derzeit in großen Schwierigkeiten. Natürlich wollen die Spieler dort stärker helfen. In meinem Heimatland gibt es zum Beispiel derzeit noch keine Probleme mit Corona - dafür andere sehr drängende andere, mit denen ich mich auch beschäftige.
Diadie Samassekou: "Sollten uns bewusster sein, wie wir miteinander umgehen"
Sie sind in Faladie, einem Viertel der malischen Hauptstadt Bamako, aufgewachsen. Wie sah Ihre Kindheit dort aus?
Samassekou: Ich bin in Faladie geboren und aufgewachsen. Ich komme aus einer Familie mit drei Brüdern und einer Schwester. Wir waren also fünf Kinder und meine Eltern. Ich würde nicht sagen, dass wir ein einfaches Leben hatten, aber es war für die Verhältnisse in Mali ein normales Leben. Angefangen Fußball zu spielen habe ich - wie alle anderen auch - auf der Straße. Es war für mich ein Hobby. Erst mit 14 Jahren kam ich in die JMG Academy.
Aus der europäischen Perspektive sind die Lebensumstände in Mali schwer vorstellbar. Die alltäglichen Ängste, die wir hier haben, sind im Vergleich zu den existenziellen Nöten in Ihrer Heimat Luxusprobleme. Inwiefern hilft es Ihnen, dass Sie wissen, wie es ist, wenn man am Existenzminimum leben muss?
Samassekou: Es gibt große Unterschiede zwischen dem Leben hier und dort - beides hat seine guten und schlechten Seiten. Ich denke, wir haben viel von Europa zu lernen, aber Ihr könnt auch viel von uns lernen. Es ist völlig anders, in Afrika zu arbeiten. Du genießt nicht dieselben Privilegien wie etwa eine gewisse Absicherung. Man bemerkt aber gar nicht, dass die Lebensumstände nicht so gut sind, wenn man dort lebt. Erst wenn man nach Europa kommt, fallen die großen Unterschiede auf. Wir sollten uns insgesamt bewusster sein, wie wir uns verhalten und wie wir miteinander umgehen.
In Europa sieht man kaum noch echte Straßenkicker, weil die jungen Talente bereits früh in Vereinen spielen und in den Nachwuchsleistungszentren untergebracht werden. Wie macht sich dieser Unterschied bemerkbar?
Samassekou: Ich denke, es gibt bei uns im Team keinen großen Unterschied. Aber dadurch, dass wir das Spielen auf der Straße lernen, sind wir insgesamt wohl anpassungsfähiger. Dafür haben diejenigen, die schon in jungen Jahren in einem leistungsorientierten Verein spielen, zum Beispiel eine bessere Koordination. Wenn wir in Europa ankommen, ist das Erste, was wir bemerken, dass wir in einigen Aspekten auf anderen Leveln sind als die Europäer.
Diadie Samassekou: Mit elf Jahren von der Familie getrennt
Sie sagen, dass Sie sich als 14-Jähriger der Akademie anschlossen. Entdeckt wurden Sie jedoch bereits 2007, im Alter von elf Jahren. Danach waren Sie bereits für kurze Zeit Teil der JMG Academy, die vom französischen Nationalspielers Jean-Marc Guillou gegründet wurde. Wie war es für Sie, in diesen jungen Jahren von Ihrer Familie getrennt zu sein?
Samassekou: Es war am Anfang wirklich nicht leicht, weil ich zuvor immer bei meinen Eltern war, und elf Jahre gerade in Afrika noch ein sehr junges Alter ist. Ich habe dann mein Zuhause verlassen, was mir sehr schwer fiel, und blieb auch zunächst nur sechs Monate in der Akademie. Als 14-Jähriger kehrte ich zurück.
Nachdem Sie die Akademie vorerst verlassen hatten, lebten Sie wieder bei Ihren Eltern. Was gab Ihnen die Motivation und die Kraft, es nochmal zu versuchen, nachdem Sie der Akademie eigentlich bereits den Rücken gekehrt hatten?
Samassekou: Als ich die Akademie verließ, war ich noch sehr jung, und ich wusste nicht, was ich wirklich wollte. Mit der Zeit lernte ich, dass man kämpfen muss, wenn man etwas wirklich will. Ich war irgendwann noch einmal in der Akademie, weil ich ein Spiel gegen eines der Akademieteams hatte. Ich sah, wie sich die anderen entwickelten. Das war der Moment, in dem ich erkannte, dass ich mit ihnen spielen will und dass ich das nötige Potenzial habe. Ich bekam Unterstützung von meinen Eltern, und die Akademie wollte mich zurückhaben. Also kehrte ich zurück.
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