Reden wir nicht lange drumherum: Es geht einzig und allein ums Geld. Nicht die Sorge um die Gesundheit der Spieler und Betreuer leitet die Deutsche Fußball Liga (DFL) derzeit, auch nicht die Rücksicht auf die von den Folgen der Corona-Pandemie gezeichnete Gesellschaft oder die eigene Vorbildfunktion für Selbige und schon gar nicht die Interessen der Fußballfans. Die seit Wochen mit großem Lobbyaufwand betriebene Planung des Bundesliga-Neustarts hat nur ein zentrales Ziel: Die Einnahmen müssen wieder fließen - Coronavirus hin, gesellschaftliche Verantwortung her.
Und jetzt hat die Fußball-Bundesliga die Erlaubnis: Der Spielbetrieb darf ohne Zuschauer noch in diesem Monat wieder aufgenommen werden, beschlossen Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Regierungschefs der Bundesländer. Den Termin darf die Liga selbst festlegen, eine zuvor durchgesickerte obligatorische Zwei-Wochen-Quarantäne für die Spieler als Voraussetzung für den Neustart wurde offenbar erfolgreich herausverhandelt. König Fußball, wie man den Sport hierzulande nicht ohne Grund nennt, hat es geschafft: Die Bundesliga erhält mal wieder einen Sonderstatus, während andere Sportarten weiter mit einem Wettkampfverbot konfrontiert sind. Ist das fair? Nein, das ist Klientelpolitik.
Kalous folgenloses "Eigentor"
DW-Sportredakteur Joscha Weber: "Die Bundesliga geht große Risiken ein, um ihr Geschäftsmodell zu retten"
Schon in den letzten Wochen hatten Bundesligavereine Sondergenehmigungen für Kleingruppentraining erhalten. Das Beispiel von Hertha BSC und dem fröhlich händeschütteltenden Salomon Kalou zeigte aber, wie wenig Verantwortungsgefühl bei manchen Beteiligten herrscht. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder nannte das zu Recht "ein schweres Eigentor" - Konsequenzen hat es (außer für den supendierten Kalou) indes nicht. Die Politik vertraut dem Fußball und beschenkt ihn mit Privilegien. Dabei hat sich die Stimmung hierzulande längst gedreht: In einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der DW sprachen sich Ende April rund die Hälfte der Befragten gegen eine baldige Fortsetzung der Bundesliga-Saison mit Geisterspielen aus. Bei einer aktuellen Umfrage auf dem Twitter-Kanal von DW Sport waren sogar zwei Drittel dagegen.
Zahlen, die alarmieren sollten. Denn aus der liebsten Nebensache der Deutschen ist ein Streitfall geworden. Darf der millionenschwere Profifußball mehr als der Rest der Bevölkerung? In Deutschland wurden die Kontaktbeschränkungen für die Bevölkerung bis zum 5. Juni verlängert. Doch auf den Plätzen der Bundesliga dürfen die Profis wieder im Nahkampf um den Ball streiten und sich womöglich anstecken. Virusfreundliche Rudelbildungen sind nicht auszuschließen. Ausgeschlossen sind hingegen die Fans, die nicht ins Stadion dürfen. Bei den ersten Geisterspielen vor dem Lockdown trafen sie sich allerdings singend vor dem Stadion. Und nach positiven Tests auf das Coronavirus in einer Mannschaft muss nicht etwa das ganze Team in Quarantäne, sondern nur die betroffene Person. Die Bundesliga geht also gleich mehrere Risiken ein, um ihr Geschäftsmodell zu retten. Und das ist alles andere als verantwortungsvoll.
Der nächste Charaktertest wartet
Um die millionenschweren TV- und Sponsorenverträge zu erfüllen, muss der Ball rollen. Die Risiken dieses Geschäfts werden im Wortsinn vergesellschaftet - eine inzwischen marktübliche Unsitte, die auch im Fußball angekommen ist. "In der Krise beweist sich der Charakter", hat Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt einmal gesagt. Folgt man dieser Aussage, zeigt der deutsche Profifußball aktuell sein wahres, hässliches Gesicht. Die DFL versuchte kürzlich sogar, den Vereinen einen Maulkorb im Umgang mit möglichen positiven Coronafällen zu verpassen, wie der "Kicker" mit einem geleakten Schreiben an die Klubs belegen konnte. Bloß keine Transparenz.
Der nächste Charaktertest steht nun bevor: Wie reagiert die Liga, wenn neue positive Fälle unter den Spielern auftreten? Wird der lukrative Spielbetrieb tatsächlich wie angekündigt sofort gestoppt oder wird seine Fortsetzung mit aller Macht durchgeboxt? Geschieht Letzteres, muss man der Vorsitzenden der deutschen Sportministerkonferenz, Anja Stahmann, wohl Recht geben. Die Grünen-Politikerin aus Bremen spricht aus, was viele denken: Die Bundesliga habe "die Bodenhaftung verloren in Zeiten einer Pandemie".
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