- Borussia Dortmund führt gegen Leverkusen mit 3:2 und sieht wie der Sieger der Partie aus.
- Doch dann treffen Leon Bailey und Lars Bender innerhalb von 80 Sekunden doppelt.
- "Das tut weh", sagt Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc.
Wenn Bayern München und RB Leipzig am Sonntagnachmittag ihr Spitzenduell beginnen, dann mit einem guten Gefühl: Der Aufschwung von Borussia Dortmund ist auch ohne eigenes Zutun erst einmal gestoppt worden. Obwohl die Westfalen wieder drei Tore erzielten, gaben sie in den letzten zehn Minuten eine 3:2-Führung bei Bayer Leverkusen aus der Hand. "Dortmund hat viel Potential", sagte BVB-Zugang Emre Can nach der 3:4 (2:2)-Niederlage, "aber wir müssen noch viel lernen - zum Beispiel nach einer Führung ein bisschen dreckiger zu spielen." Und besser zu verteidigen: Die beiden entscheidenden Gegentore fielen innerhalb von nur 80 Sekunden.
Es war der Höhepunkt einer vergnügungsteuerpflichtigen Partie, die den Borussen am Ende kein Spaß mehr gemacht haben dürfte. "Das tut weh", sagte Sportdirektor Michael Zorc. "Wir sind einfach zu passiv geworden, haben die Tore zu einfach weggegeben." Trainer Lucien Favre meinte: "Wir haben Probleme, bekommen einfach zu viele Gegentore. Wir müssen die Situationen besser beherrschen, cleverer spielen. Wenn man so viele Gegentore bekommt, haben wir natürlich viel zu tun."
Im Spektakelgehalt war die Partie ganz oben anzusiedeln in der Reihe wilder Duelle, auf einer Höhe zum Beispiel mit der Partie vom September 2018, als ein gewisser Paco Alcácer den BVB nach 0:2-Rückstand noch zu einem rauschenden 4:2-Sieg führte. Alcácer ist fast schon vergessen, weil Erling Haaland Dortmund zuletzt beglückt hatte. 15 Tore hatte der BVB in drei Rückrundenpartien erzielt, aber immer kann selbst Haaland nicht treffen.
Leverkusens Coach Peter Bosz überraschte, indem er den nahezu unbekannten Edmond Faycal Tapsoba auf den Norweger ansetzte. Und eine Woche nach seinem 21. Geburtstag nahm der Spieler aus Burkina Faso, der im Winter vom portugiesischen Erstligisten Vitoria Guimarães gekommen war, den Stürmer fast komplett aus dem Spiel.
Sancho treibt den BVB an
In den ersten Minuten konnte man sich verwundert die Augen reiben. Beide Teams sind für Zügellosigkeiten in der Abwehr berüchtigt, aber diesmal begannen sie ungewöhnlich diszipliniert und waren um Fehlerminimierung bemüht. Der ehemalige Leverkusener Julian Brandt wurde nach 90 Sekunden unsanft begrüßt von Lars Bender, der diesmal als defensiver Sechser aufgeboten worden war, weil Trainer Bosz gleich vier Spieler auf dieser Position fehlten - kurzfristig auch Winterzugang Exequiel Palacios, den es im Rücken zwickte.
Bayer presste nicht ganz so hoch wie gewöhnlich, Rechtsaußen Bellarabi zog sich mehrfach weit zurück, um Jadon Sancho das Leben schwer zu machen. Jedenfalls in der Theorie. Dem Briten ist derzeit nämlich völlig egal, wie viele Gegner auf ihn zukommen: Er bereitete gekonnt die gefährlichste Szene der ersten Viertelstunde vor, als er nach einem Doppelpass mit Brandt, fast schon zu altruistisch im Bemühen agierte, den Sturmkollegen Haaland mitzunehmen.
Fast 20 Minuten lang neutralisierten sich die Kontrahenten, doch diese Klubs können ihre DNA nicht durchgängig verleugnen, und fast folgerichtig ging es fast im Minutentakt zur Sache. Zunächst tauchte Haaland frei im Strafraum auf (19. Minute), hatte aber einen spitzen Winkel zum Tor, den Hradecky geschickt weiter verkleinerte. Quasi im Gegenzug landete Amiris punktgenauer Flachpass genau zwischen den Dortmunder Verteidigern Hummels und Akanji, der Kevin Volland weder stoppen noch am Schuss aus 18 Metern hindern konnte, Bürki blieb beim 1:0 nur das Nachsehen (20.). Wie geschockt war der BVB? Schon in der 21. Minute drang Brandt in den Leverkusener Strafraum ein, schloss gedankenschnell mit der Picke ab, konnte aber Hradecky nicht überwinden. Den anschließenden Eckball schickte Sancho im hohen Bogen Richtung Fünfer, wo Mats Hummels davon profitierte, keinen Gegenspieler zu haben, und per Kopf das 1:1 erzielte. Sancho sammelte seinen 26. Scorerpunkt.
Es blieben ein paar Minuten zum Luftholen. Hradecky ärgerte wieder Haaland, indem er ihn nicht aufs Tor schießen ließ (31.). Es folgte der Auftritt von Emre Can an alter Wirkungsstätte: Nicht schnell genug attackiert von Kai Havertz, meldete sich der Dortmunder Winterschlusseinkauf mit einer Meisterleistung in der Liga zurück: Seinen Schuss aus fast 31 Metern zirkelte er unhaltbar für Hradecky in den Winkel. Würde Dortmund das ausnutzen und unfallfrei in die Kabine kommen? Nein. In der 43. Minute rettete Bayer-Verteidiger Jonathan Tah eine Flanke vor dem Flug ins Aus, indem er den Ball blind nach hinten zurückspielte. Dort stand kein Dortmunder, aber Kevin Volland, der aus sieben Metern abschloss zu dem in dieser Phase überraschenden 2:2 - auf der anderen Seite hatte Axel Witsel Sekunden zuvor eine Direktabnahme nach Sancho-Flanke neben das Tor gesetzt.
Etwas Unerwartetes geschieht: Dortmund zieht sich zurück
Aus der Pause kamen die Gäste mit dem erkennbaren Willen, das Spiel sofort wieder in die gewünschte Richtung zu drehen. Nach einer blitzsauberen Kombination über Sancho und Hakimi lag der Ball im Netz (52.) - doch der Videobeweis überführte den 17-jährigen Gianni Reyna eines Fouls an Bender, leicht abseits des Geschehens. Reyna hätte seinen Fehler kurz darauf fast wettgemacht, doch Hradecky lenkte den Schuss des BVB-Youngsters noch an den Pfosten (58.). Gewöhnlich wird so etwas bestraft, und prompt lief Kai Havertz allein auf das Dortmunder Tor zu: Der Nationalspieler ließ Bürki keine Chance, doch sein Schuss klatschte ans Aluminium (63.). Das wiederum wurde rasch bestraft. Erneut lief der Ball extrem gefällig über Hakimi und Sancho auf das Leverkusener Tor zu, Hakimi bediente maßgerecht Guerreiro, der sicher zum 3:2 für die Gäste verwandelte.
Danach geschah etwas Unerwartetes: Dortmund zog sich zurück und verlegte sich auf die Defensive. Kann die Borussia das? Eher nicht. Es boten sich bald gefährliche Lücken. In der 81. Minute stand Volland blank am Sechzehner. Mit einer coolen Grätsche klaute Can dem Stürmer zwar die Chance auf das dritte Tor - doch der Ball landete direkt auf dem Fuß von Bailey, der Bürki keine Chance ließ. Nun war Leverkusen heiß auf mehr. 80 Sekunden nach Wiederanpfiff segelten nacheinander zwei Flanken durch den BVB-Torraum. Die erste blieb ohne Folgen, doch bei der zweiten schraubte sich Lars Bender artistisch in die Höhe und schickte den Ball per Kopf an den entfernten Pfosten, von wo er zum 4:3 ins Tor fiel (82.).
Fast 15 Minuten wurde danach noch gespielt, doch an diesem Abend konnte selbst Erling Haaland nicht davon ablenken, dass Dortmund mit dieser Defensive nicht meistertauglich ist. "Hören wir auf, darüber zu reden", sagte Trainer Lucien Favre unwirsch.
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