Spotlight | Heidenheim an der Brenz. Das klingt nicht zwingend nach Glamour oder pulsierendem Hotspot. Trotzdem könnte das 50.000-Seelen-Städtchen bald einen Bundesligisten stellen. Hauptverantwortlich dafür: Die drei Vereinsheiligen.
- Heidenheim könnte zweitjüngster Bundesligist werden
- Mit Kontinuität aus allen Krisen
- Sanwald, Schmidt und Schnatterer: Heidenheims Schlüssel zum Erfolg
1. FC Heidenheim: Der zweitjüngste Bundesligist aller Zeiten?
10. Mai 2014, es läuft der 38. Spieltag der 3. Liga. Die Verhältnisse waren allerdings schon geklärt. Der SV Darmstadt 98 durfte in der Relegation um den Aufstieg spielen. Die beiden Mannschaften, die direkt in die 2. Bundesliga befördert wurden hießen RB Leipzig – um die jungen Joshua Kimmich und Yussuf Poulsen – und der Meister 1. FC Heidenheim. Smail Morabit und ein gewisser Florian Niederlechner rundeten die Saison mit einem 2:0 gegen Unterhaching ab.
Beide Teams hatten seitdem nur noch peripher mit der dritthöchsten Spielklasse zu tun, was bei RB weniger verwundern dürfte, als bei Heidenheim. Während die Leipziger sich mit der Zeit breitestmöglich aufstellten, um einen baldigen Einzug in die deutsche Fußballelite zu gewährleisten, arbeitete man in Heidenheim getreu dem Motto: Trust the process.
Was allerdings auch nie anders war, in diesem erst seit 2007 existierenden Klub. Sollte sich Heidenheim in der Relegation gegen Werder Bremen durchsetzen, würden sie auch im Ranking der jüngsten Bundesligaklubs mit RB Leipzig an der Spitze stehen – diesmal allerdings in umgekehrter Reihenfolge. Vorher trat die Mannschaft als Fußballabteilung des Heidenheimer Sportbundes an. Lizensierungsverfahren des DFB erforderten schlussendlich, dass sich die Fußballer vom restlichen Verein abspalten.
Frank Schmidt: Heidenheims Glücksgriff
Das heißt im Klartext: Der 1. FC Heidenheim hat – in seiner jetzigen Form – gerade einmal handgezählte zwei (!) Trainer in den Annalen stehen: Dieter Märkle und Frank Schmidt (46), der heute noch im Amt ist. Lange lieferte er sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Braunschweiger Version von Torsten Lieberknecht, der 2008 anfing, um die längste Legislaturperiode. Lieberknecht allerdings zog in Folge eines 2:6 in Kiel und dem damit verbundenen Abstieg in die 3. Liga 2018 die Konsequenzen und begab sich wenige Monate danach gen Duisburg. Mit den Zebras kämpft er zur Stunde um den Aufstieg in die 2. Bundesliga.
So ist Frank Schmidt der dienstälteste Vereinstrainer im deutschen Profifußball. Einzig Bundestrainer Joachim Löw kann eine noch längere Amtszeit vorweisen. Dass es soweit kommt, war 2007 überhaupt nicht vorgesehen: “Am Anfang, ich bin Trainer geworden und wollte es überhaupt nicht. Dann haben wir gesagt: So, mach das mal für zwei Spiele.” Aus zwei Spielen ist irgendwann eine Saison geworden und so nahm die Geschichte ihren Lauf. Als Spieler war Schmidt übrigens Verteidiger. Seine größte Stunde erlebte er in einem ganz bestimmten Spiel mit dem TSV Vestenbergsgreuth.
Heidenheim: Wie eine Horrorsaison zum Umdenken führte
Für Schmidt und Heidenheim ging es allerdings nicht nur steil bergauf. Klar, es gelang ihnen, den Verein in der 2. Bundesliga zu etablieren. Nach einem starken 6. Platz in der Saison 2016/17 fand man sich in der darauffolgenden Saison urplötzlich im Abstiegskampf wieder. Zur Winterpause stand Heidenheim nur drei Punkte vor dem Relegationsplatz, dem Abstiegsrelegationsplatz wohlgemerkt. In der Rückrunde allerdings kämpften sich die Heidenheimer zurück und beendeten die Saison schließlich auf Rang 13. Zwei Zähler vor dem Relegationsplatz, drei vor einem direkten Abstiegsplatz.
Es war klar, dass sich der Verein – wollen sie weiterhin in der 2. Liga bestehen – neu aufstellen muss. Heidenheim setzte wieder verstärkt auf junge Spieler, vor allem solche, die im Unterholz ihrer Vereine kaum zu Einsätzen kamen. Zum Beispiel Niklas Dorsch (22), ein Jugendprodukt der Bayern-Akademie. Patrick Mainka (25) kam von Borussia Dortmund und absolvierte in der abgelaufenen Saison 32 Spiele in der 2. Liga. Die jungen Spieler wissen, dass sie in Heidenheim einen Verein haben, bei dem sie sich abseits des Rampenlichts in Ruhe entwickeln können und dazu noch in Frank Schmidt einen Fachmann, der weiß, wie man sie weiterbringt. “Frank bringt ein ungemein großes Maß an Eigenmotivation auf. Er schafft es immer wieder, andere Reizpunkte zu setzen und Neues zu vermitteln”, so Heidenheims Vorstandsvorsitzender Holger Sanwald.
Holger Sanwald: Heidenheims Macher
1994 übernahm Sanwald Heidenheim – in der Landesliga. Von da aus führte er sie Stück für Stück nach oben. Inzwischen kann der FCH auf einen Etat in Höhe von 32,5 Millionen Euro zurückgreifen. Damit bewegen sie sich im vorderen Mittelfeld der 2. Bundesliga. Sein Erfolgsgeheimnis: Gesunder Menschenverstand. “Ich führe beinahe jeden Tag Vorstellungsgespräche. Wenn ich das Gefühl habe, das ist ein Spinner oder ein Selbstdarsteller, dann ist es gleich vorbei. Wer bei uns arbeitet, muss schaffig, geerdet und normal sein. Nach solchen Leuten schauen wir. Damit erzeugen wir sicher nicht den größten Glamourfaktor. Aber so ist es mir lieber.”
Nach sechs Jahren im deutschen Unterhaus scheint nun, in der Relegation, der erstmalige Sprung in die Bundesliga möglich. Eine Entwicklung, die selbst Sanwald so nicht vorhergesehen hat. Noch im Januar sagte er: “Das Ziel Bundesliga gibt es bei uns nicht, wir sind noch nicht reif für die erste Liga. Das sind unterschiedliche Welten”. Er ging fest davon aus “dass die Favoriten in der Rückrunde ins Rollen kommen werden”. Sein Ärger, sich dahingehend geirrt zu haben, dürfte überschaubar sein.
Anders als die Amtsperioden der wichtigsten Mitarbeiter. An einen Abschied von Frank Schmidt hat Sanwald noch nicht gedacht. Im Gegenteil: “Wenn ich mit Frank über die Zukunft rede, geht es einzig darum, ihm Perspektiven aufzuzeigen, damit er noch möglichst lange bei uns bleibt”. Das trifft auch auf einen Dritten zu.
Marc Schnatterer: Das Urgestein
Seit 2008 ist Marc Schnatterer (34) schon in Heidenheim. Genau wie Holger Sanwald und Frank Schmidt hat auch der Mittelfeldspieler mit der feinen Schusstechnik die gesamte Geschichte des FCH miterlebt: Aufstieg in die 3. Liga, Aufstieg in die 2. Liga, fast-Relegation 2018 und Relegation 2020. Der Kapitän ist geblieben, obwohl es zwischenzeitlich auch Angebote aus der Bundesliga gab. Trotz seiner inzwischen 34 Jahre, ist Schnatterer noch immer gesetzt, kam in der abgelaufenen Zweitligasaison in insgesamt 31 Spielen zum Einsatz. Zwar konnte er nur vier Partien über die komplette Distanz bestreiten, an seiner Wichtigkeit auf dem Platz und auch in der Kabine hat das aber nichts geändert. Am Sieg gegen den HSV beispielsweise hatte Schnatterer mit seinem langen Ball in den Strafraum vor dem 2:1 maßgeblichen Anteil.
Auch mit dem kommenden Relegationsgegner Werder Bremen hat Schnatterer durchaus positive Erfahrungen gemacht. Beide Mannschaften trafen erstmals am 30. Juli 2011 aufeinander, in der 1. Runde des DFB-Pokals. Heidenheim war damals noch Drittligist, Bremen daher der klare Favorit. Dieser wurde seiner Rolle anfangs auch gerecht, Markus Rosenberg brachte grün-weiß nach einer guten halben Stunde in Führung.
In der zweiten Halbzeit wendete sich das Blatt jedoch. Fünf Minuten nach der Pause vergab Marko Marin per Strafstoß das mögliche 0:2, weitere fünf Minuten später glich Christian Sauter per Freistoß aus. Und Heidenheim gelang der Doppelschlag. Nach dem Ausgleich in Minute 56 brachte Schnatterer den FCH in der 58. Minute in Führung. Die Werder-Antwort blieb aus und so zog Heidenheim in die 2. Runde ein. Dort zwangen sie Borussia Mönchengladbach zwar bis ins Elfmeterschießen, doch Marc-André ter Stegen parierte zweimal und beendete das Märchen von der Ostalb schon früh in der Saison.
Neun Jahre später schreiben sie am nächsten Kapitel.
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